Etikettenschwindel DDR Rezept?
Viele gehen bei dem Begriff „DDR Rezept“ selbstverständlich davon aus, dass es sich hierbei um ein Rezept handeln müsse, welches seinen Ursprung in der DDR hat, also quasi eine Erfindung der DDR sei. Demnach gibt es immer wieder Aufregung um die Definition von DDR Rezepten. Dabei ist die gar nicht so klar, wie man meinen würde. Wir selbst mussten unsere Interpretationen dessen immer wieder auf den Prüfstand stellen – bis heute.
Was ist ein DDR Rezept?
Als wir 2012 mit dem Zusammentragen der ostdeutschen Rezepte anfingen war die Sache noch einfach: Soljanka, (ostdeutsches) Jägerschnitzel, Wurstgulasch, Schnapskuchen – bekannte Beispiele, bei denen fast niemand zumindest eine ostdeutsche Identität abstreiten würde. Mit der Zeit kamen mehr Rezepte dazu – bekannte aber auch immer häufiger unbekannte. Leider neigt man oft zu der Einstellung: Was man selbst nicht kennt, kann auch keiner anderer kennen, ergo: das gab es nicht! Oder doch?
Heute kann man sagen, dass wir in den vielen Jahren Ostdeutsch Kochen mehrfach von Rezepten überrascht wurden, die wir selbst vorher nie in der Realität der DDR vermutet hätten, obwohl zumindest einer von uns die Küche der DDR gut zu kennen glaubte.
Einflüsse auf die DDR Küche
Was ist nun also ein DDR Rezept und woran machen wir es fest? Am Urspung? Der ist fast unmöglich nachzuweisen. Denn wer kann schon mit Sicherheit sagen, wer wann und wo das erste mal ein bestimmtes Rezept zubereitet oder niedergeschrieben hat. Im nahezu jeden Erdteil gibt es darüber hinaus verschiedene Variationen von sehr ähnlichen Gerichten.
Als Beispiel seien gefüllte Teigtaschen angeführt, die in Deutschland als „Maultaschen“, in Polen als „Pierogi“, in Spanien oder Südamerika als „Empanada“ und in China als „Wan Tan“ bekannt sind. Die Aufzählung lässt sich weltweit fortsetzen. Natürlich werden diese Teigtaschen je nach Region verschieden gefüllt oder zubereitet (gebraten, gekocht, gebacken). Aber letztendlich beruhen sie alle auf einem ähnlichen Grundrezept. Wer hier der Erste war, lässt sich freilich nur schwer nachvollziehen.
Stadt oder Land: die Versorgungslage und Verteilung von Lebensmitteln spielte eine zentrale Rolle bei den Essgewohnheiten der DDR-Bürger und dem, was sie folglich kennen lernten, kochten, backten und aßen. Schon vor der DDR gab es außerdem die traditionellen und regionalen Küchen Brandenburgs, Thüringens, Sachsens oder Mecklenburgs. Hinzu kamen die Mitbringsel der Geflüchteten aus den ehemaligen deutschen Gebieten nach 1945. Die „Bruderstaaten“ im Osten der DDR brachten ebenfalls vieles auf die deutschen Teller, was man vorher nicht unbedingt kannte und kochte.
Von Österreich über Schweden bis nach Finnland erreichten uns schon Berichte, die uns eine erstaunliche Ähnlichkeit mit der jeweils dort heimischen Küche attestierten. So ist also auch die Küche der DDR in weiten Teilen ein Sammelsurium aus verschiedensten internationalen Einflüssen.
Sein oder Nichtsein
Gibt es dann also überhaupt DDR Rezepte? Vielleicht kommt es darauf an, was man darunter versteht. Auf unseren Seiten möchten wir zeigen, wie in der DDR (alte) Rezepte mit den zur Verfügung stehenden Zutaten neu interpretiert bzw. weiter entwickelt und zubereitet wurden. Wenn überhaupt, kann sich nur die gelebte Kultur als Kriterium halten. Das betrifft also Rezepte, die in der DDR von Bürgern der Deutschen Demokratischen Republik zubereitet wurden oder in Rundfunk, Magazinen und Büchern aus dieser Zeit zu finden waren. Das ist unser Anspruch.
Jede/r hat individuelle Erinnerungen, Geschmäcker, Überlieferungen der Familie. Die DDR Rezepte auf unseren Seiten können also gar nicht mehr sein als Vorschläge. Auf keinen Fall aber sind sie unumstößliche Dogmen. Kochen ist ja auch (Gott sei Dank) keine Wissenschaft.
Spannend für uns ist immer wieder das Durchstöbern alter, regionaler und ostdeutscher Kochbücher, in denen noch viele Rezepte schlummern, die bisher selten oder vielleicht noch nie zubereitet wurden, weil sie vermutlich ganz einfach an der Alltagsrealität der DDR Bürger vorbei gingen. Was nützen Rezepte mit exotischen Früchten, wenn sie nur schwer, teuer oder gar nicht zu bekommen sind? An Anleitungen zum Kochen und Backen damit mangelte es jedenfalls auch in der DDR nicht.
Angepasstere Rezepte erdachte man sich dagegen bspw. in der Versuchsküche vom „Verlag für die Frau“ in Leipzig. Teilweise erblickten aber auch sie nie das Licht der Welt, im Sinne einer Zubereitung. Deshalb gibt es neben den DDR Rezepteklassikern, die jeder kennt, noch eine ganze Reihe an Koch- und Backanleitungen aus der DDR, die unserer Meinung nach mal unbedingt ausprobiert werden sollten.