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Tintenfisch für alle! - Wie die DDR mit Fisch versorgt wurde

Mit „Jede Woche 2 x Fisch – hält gesund, macht schlank und frisch“ machte man der ostdeutschen Bevölkerung zeitweise den Verzehr von Fisch beispielsweise in den „Tausend Tele-Tips“ schmackhaft. Jedoch war das nur ein vorübergehendes Phänomen. Denn trotz der modernen und größten Hochseefischereiflotte, die um den ganzen Globus verteilt unterwegs war, hatte man in den 80er-Jahren auch bei Fisch mit Versorgungsenpässen zu kämpfen. Dennoch wurde sogar eine große Kette von Fischrestaurants für die Republik ins Leben gerufen und Fischrezepten selbst im DDR-Fernsehen ein fester Sendeplatz gewidmet. Wie das mit der bewegten Geschichte der Fischerei in der DDR zusammenpasst und was dann letztendlich auf den Tellern landete, bestimmte dabei vor allem ein Mann: Rudolf Kroboth alias „Der Fischkoch“.

(Tinten-)fisch für alle! - Wie die DDR mit Fisch versorgt wurde
Bild: Rudolf Kroboth alias "Der Fischkoch" zeigte den Bürgern der DDR unter anderem in seiner Fernsehsendung "Tip des Fischkochs" wie man Fischgerichte zubereitet, Quelle: privat

Hochseefischerei in der DDR

Die Geschichte der Fischerei in der DDR beginnt bereits kurz nach dem Krieg, als 1946 eine Planerfüllung auf Fischfangerträge und der Aufbau der Fischindustrie festgesetzt werden. Der Hunger war groß und Fisch vermochte, anders als pflanzliche Kost, die erst gesät, gepflegt und geerntet werden musste, diese Not schnell und mit geringerem Aufwand zu lindern. Im Osten Deutschlands hatte man zudem das Problem, dass sich die bisherigen Standorte der deutschen Hochseefischerei an der Nordsee und in Schleswig-Holstein nun im westlichen Einflussbereich befanden.

In Mecklenburg-Vorpommern gab es vor dieser Zeit nur Küsten- und Kutterfischerei mit einem durchschnittlichen Jahresfang von ca. 12.000 Tonnen. Die Anzahl der Kutter, die auch zu Kriegszwecken eingesetzt wurden, hatte sich halbiert. Der Rest musste aufwendig mit ohnehin schwer zu bekommenden Ersatzteilen repariert werden. Also plante die sowjetische Militäradministration (SMAD) auch die Weiterentwicklung und den Ausbau des Schiffbaus, der Fischverarbeitung und schließlich der Hochseefischerei in der DDR.

Wo einst Bomber für den 2. Weltkrieg gebaut wurden, entstand ab 1950 auf den Trümmern der Heinkel-Werke das VEB Fischkombinat Rostock – ein zweites auf der Insel Rügen in Saßnitz. Die Ausmaße dieses Unternehmens ahnte bis dahin jedoch kaum jemand. Denn schon bald sollte die DDR eines der wichtigsten Fischfangländer der Welt werden und die Industrialisierung des Sektors maßgeblich beeinflussen.

 
YouTube-Video: Ausschnitt aus der DEFA Sendung „Der Augenzeuge“ mit Blick auf die Geschichte des VEB Fischkombinat Saßnitz

Fisch vom anderen Ende der Welt

Die Schiffe der DDR Hochseefischerei fischten bald nicht mehr nur in Ost- und Nordsee, sondern auch in der Barentssee bis Nowaja Semlja, vor Spitzbergen und Island, an der Ost- und Westküste Grönlands, an der ostamerikanischen Küste von der Hudson Bay bis Cape Hatteras, im Golf von Mexiko, an der Küste von Argentinien bis in die Antarktis und an der Westküste von Amerika von Kalifornien bis zu den Aleuten. Netze wurden an der afrikanischen Küste von Algerien bis Namibia, vor Jemen und vor Mosambik ausgesetzt. Man durchfuhr den Suez- und Panamakanal und einige wenige umrundeten sogar das Kap der Guten Hoffnung oder das Kap Hoorn.

Dadurch wurde die Hochseefischerei der DDR auch zu einem bedeutsamen Kunden für die Interflug. Denn die Besatzung der Schiffe, die im Schnitt 3 Monate an Board verbrachte, wurde u. a. per Flugzeug über San Salvador, Havanna, Sankt Pierre, Reykjavik, Glasgow, Las Palmas, Beira, Luanda, Maputo, Aden, Windhoek, Montreal, Nouadibou, Montevideo, Bahia Blanca und Ushaia ausgetauscht.

Mit zeitweise 101 aktiven Schiffen hatten die Rostocker Hochseefischer nicht nur die größte deutsche Fischereiflotte, sondern auch die größten Fischereifahrzeuge, die je unter deutscher Flagge fuhren. 16.000 Frauen und Männer, davon ca. 5.000 zur See, waren in der DDR-Fischerei beschäftigt. Ab einer Besatzungsstärke von mehr als 50 Personen war ein Arzt an Board vorgeschrieben. So wurden sogar 82 Blinddarmoperationen auf hoher See durchgeführt. Das erfolgreichste Jahr für die Großreederei war 1971 mit einer Fang- und Verarbeitungsmenge von 223.664 Tonnen Fisch.

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Tintenfische tun‘s auch

Staatschef Ulbricht aß im Gegensatz zu Honecker ebenfalls gern Fisch, den man in den 60er und 70er Jahren auch noch reichlich fangen konnte. In den 80er Jahren änderte sich die Situation schließlich und die Kosten für die Fischproduktion explodierten. Der Verkaufspreis hingegen wurde staatlich stabil auf um die 1 - 2,10 Mark pro Kilo Fisch gehalten. Der Aufwand für die Produktion der selben Menge betrug jedoch bereits 1977 schon ca. 9,50 Mark. Grund dafür war auch, dass immer mehr Länder ihre Fischereizonen ausdehnten und damit die DDR-Fischer mit ihrer mächtigen Fischereiflotte zusehends aus fremden Gewässern verdrängten.

Die Fischereilizenzen konnte man zwar erkaufen. Jedoch benötigte die DDR dafür, wie für viele andere Dinge auch, Devisen in Fremdwährungen. 1982 verbietet die UN-Seerechtskonvention außerdem das unkontrollierte Leerfischen der Meere. Viele beliebte Fische standen zu diesem Zeitpunkt bereits auf der Liste der bedrohten Arten. Staatliche Verträge mussten geschlossen werden und Fangquoten sollten von nun an die Fischbestände schützen.

Der Mangel an beliebten Speisefischen wie Hering oder Dorsch wurde auch in der Deutschen Demokratischen Republik immer deutlicher spürbar. Also ließ man sich abermals etwas einfallen: Die Fischfangschiffe wurden teilweise umgebaut. Sie bekamen schwarz angestrichene Rümpfe und Angelgestelle, von denen aus lange Leinen ins Wasser führten, die mit Lockmitteln wie Licht und buntem Metall versehen waren. Man wollte von nun an Tintenfische an Land ziehen.

Das funktionierte wohl auch. Jedoch traf dieser neue Fischersatz zuhause in der ostdeutschen Republik auf wenig Begeisterung. Abnehmer für die Kraken fand man dennoch in den Japanern oder auch im Mittelmeerraum. Dafür bekam man wiederum Fischsorten, die der DDR-Bürger gern aß oder kostbare Devisen für Fischereilizenzen, um die Versorgung mit Fisch wenigstens mäßig aufrecht erhalten zu können. Wie viele andere ostdeutsche Unternehmen überlebte letztendlich aber auch die DDR-Hochseefischerei trotz aller Kreativität die Wende nicht.

 
YouTube-Video: Schmalfilm über das Leben an Bord des Kühl- und Transportschiffs "Lichtenhagen" vom VEB Fischkombinat Rostock auf der Reise in antarktische Gewässer im Jahre 1978

Wie Rudolf Kroboth zum Fischkoch der Republik wurde

1960 landete eine größere Menge Hering in Tomatensoße aus der Sowjetunion in Rostock. Der Verkauf der Konserven gestaltete sich allerdings schwierig, da kaum jemand die kyrillische Aufschrift lesen konnte, so die Legende weiter. Da kam der Werbeleiter des Fischkombinats Rostock, Rudolf Kroboth, auf eine tolle Idee: Er präsentierte im DDR-Fernsehen als Fischkoch einen „Tomatenfischreissalat“ und andere passende Rezepte für ebenjenen Hering in Tomatensoße. Daraufhin ließ sich der Fisch sehr viel erfolgreicher an den Mann bzw. an die Frau bringen. Die russischen Konserven waren bald verkauft.

Kroboth stand von nun an 10 Jahre lang regelmäßig vor der Kamera des DDR-Fernsehens und gab für und mit Zuschauern in der 5-minütigen Sendung „Tip des Fischkochs“ Ratschläge und Rezepte für die Zubereitung von Fischgerichten, wie z. B. Fischsoljanka, Fischbouletten, Makrelencocktail oder Saßnitzer Seemannsgarn. Die Sendung erfuhr ein riesiges Zuschauerecho. Teilweise erreichten Kroboth bis zu 30.000 Briefe.

Später schuf er darüber hinaus die erfolgreiche Restaurantkette „Gastmahl des Meeres“ mit 33 Fischrestaurants in der ganzen Republik. Diese funktionierten schon nach dem amerikanischen Systemgastronomie-Konzept, wie viele bekannte Fastfood-Ketten. Auf der Karte konnte man bis zu 100 Gerichte finden, weil Kroboth ein Grundgericht drei-, viermal variierte und den von ihm ausgebildeten und geschulten Köchen in der Republik immer neue Rezepte zukommen ließ: „Heilbutt auf Nussbutter“, „Italienisches Risi e Bisi vom Fisch“ oder sogar Rochenflügel standen einmal auf der Karte. Dabei kostete keines der Hauptgerichte mehr als 5 Mark.

Fischstäbchen auch in der DDR beliebt

Ende der 50er Jahre tauchten in der Bundesrepublik zersägte und panierte TK-Fischfiletblöcke auf, die sich großer Beliebtheit erfreuten. 1969 begann man auch im Fischkombinat Rostock Fischstäbchen zu produzieren. Allerdings benutzte man für die DDR Fischstäbchen ausschließlich zerkleinertes Fischfleisch. Ein Leser unserer Seiten erinnert sich:

„Die waren auf jeden Fall durchgedreht, deshalb sind sie auch nicht auseinandergefallen, sondern man konnte sie prima in die Hand nehmen und geschmeckt haben sie auch. Und keine 50% Panade, wie heutzutage.“

Ansonsten waren auch Brathering, Bücklingsfilets, Dorschleber oder Heringsfilets in der DDR schon beliebt. Auch heute noch wird bei der Rügen Fisch AG auf der Insel Rügen in Saßnitz Fisch verarbeitet – nicht zu Fischstäbchen, sondern vor allem zu Konserven mit Hering, Lachs und Makrele. Eine Auswahl an leckeren Rügen Fisch-Produkten kann man sogar online bestellen*. So viel Fisch wie damals, zu Zeiten der DDR-Hochseefischerei, die auch die Region um die Ostseeinsel herum wirtschaftlich belebte, wird allerdings heute – wohl auch später – auch dort nicht wieder produziert.

 
YouTube-Video: Beitrag Deutsche Welle von 2009 über die Traditionsfirma Rügen Fisch AG in Saßnitz, die sich auch heute noch behaupten kann
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